In der Sitzung des Thüringer Landtags am 22. Juli 2021 wurden zwei kleine Anfragen zu den Hausdurchsuchungen am 01. Juli 2021 in Jena und den dazugehörigen Ermittlungsverfahren gestellt. Konkret fragte die Landtagsabgeordnete Madeleine Henfling der GRÜNEN genauere Umstände der Durchsuchungen ab, während sich die Fragen der Abgeordneten Katharina König-Preuss (DIE LINKE) auf die Funkzellenabfragen aus dem Ermittlungsverfahren wegen schwerem Landfriedensbruch konzentrierten. Die Blau-Gelb-Weiße Hilfe begrüßt das Engagement auf politischer Ebene und möchte sich für das Stellen dieser drängenden Fragen als wichtigen Schritt zur Aufklärung von Ungereimtheiten bedanken.
Wir empfehlen Euch sehr, Euch die entsprechenden Passagen der Fragestunde selbst anzusehen. Ihr findet den Mitschnitt der Sitzung des Thüringer Landtages unter https://www.youtube.com/watch?v=Dw2ShXe90zY. Bei 06:22:10 h beginnt die Anfrage von Frau Henfling, während Ihr ab 06:33:11 h die Fragen und Antworten von Frau König-Preuss nachhören könnt.
Die konkreten, präzise formulierten Fragen wurden jedoch für unser Empfinden oberflächlich und unzureichend beantwortet. Die Staatssekretärin des Innenministeriums, Katharina Schenk, betonte jeweils zu Beginn ihrer Verlesung der jeweiligen Antwort, dass es sich um Informationen zu laufenden Ermittlungen handele und die „Beantwortung nur im nachfolgenden Umfang möglich sei.“ Die Fragen der Abgeordneten wurden daraufhin teilweise mit Phrasen zur Verhältnismäßigkeit abgewickelt, anstatt inhaltlich fundierte Belege anzuführen. Während also in der Pressemitteilung der Polizei zu den Hausdurchsuchungen vom 01. Juli 2021 falsche, aber möglichst konkrete Angaben zu den von den Ermittlungen betroffenen Personen getätigt wurden, soll es nun plötzlich an anderer Stelle nicht möglich sein, allgemeine Fragen, wie etwa zur Reichweite einzelner Funkzellen, genauer zu beantworten. Dieses zweierlei Maß an „Verhältnismäßigkeit“ stößt bei der Blau-Gelb-Weißen Hilfe auf Unverständnis und wird von uns daher scharf kritisiert!
Interessant zudem: Seitens der Staatssekretärin ist nicht mehr von Mitgliedern, sondern nur noch von „mehreren Unterstützern der Fangruppierungen“ die Rede. Wir erinnern uns: Die LPI Jena sprach in ihrer Pressemitteilung von einer „Vielzahl“ von Verdächtigen, die den Fangruppierungen Horda Azzuro und HArakiri zuzuordnen sei, was die Staatsanwaltschaft Gera bereits auf zwei Fußballfans relativierte. Wovon sich nun eine „Unterstützung“ von Fangruppierungen konkret ableiten lässt, wurde leider nicht ausgeführt. Es bleibt also (noch) offen, ob der Erwerb von Fanartikeln, der Stadionbesuch im selben Stehplatzbereich oder vielleicht das Einstimmen in den Support der Mannschaft mit dazu beitragen kann, in den polizeilichen Fokus zu geraten und damit auch Ziel von Hausdurchsuchungen zu werden. Kritisch sieht die Blau-Gelb-Weiße Hilfe an obiger Formulierung, dass ein Zusammenhang zwischen Verdächtigen und Gruppen hergestellt wird, der schlichtweg irrelevant ist. Dass von einer Nennung der Gruppen bei wiederholter Aufweichung der Formulierung noch immer nicht abgerückt wurde, stellt für uns erneut eine öffentliche Diffamierung dieser dar. Tragisch daran ist, dass doch spätestens vor der parlamentarischen Öffentlichkeit die Korrektheit der Wortwahl schwerer wiegen sollte, als polizeiinterne Interessen.
Allerdings hat Frau König-Preuss mit ihrer Nachfrage, ob „die zuständige Polizei, die LPI Jena, oder auch das Innenministerium [beabsichtigen], sich bei den beiden Fangruppen Horda Azzuro und HArakiri zu entschuldigen“, den nächsten notwendigen Schritt in dieser Sache bereits auf den Punkt gebracht. Die Nachfrage ist angesichts der Revidierung der Aussagen absolut berechtigt und wir verstehen sie nicht als Floskel, sondern als rhetorisch.
Darüber hinaus wurden unglaubliche 138.000 Datensätze bei der Funkzellenabfrage für die Jenaer Innenstadt am 13. März 2021 bei einem Tatzeitraum von wenigen Minuten erhoben. Davon wurden 100 Bestandsdaten zusätzlich weiteren Prüfungen unterzogen. Uns ist nicht bekannt, welche Einschätzung der Thüringer Datenschutzbeauftragte diesbezüglich trifft. „Es wurden mehrere Funkzellen abgefragt, wobei der Radius einzelner Zellen teilweise wenige hundert Meter beträgt.“ Daraus lässt sich im Umkehrschluss ableiten, dass der Radius anderer Zellen auch mehrere Kilometer betragen kann. Wie viele Viertel und Quadratkilometer die Funkzellen abdecken, die in der Jenaer Innenstadt installiert sind und in die Abfrage einbezogen wurden, bleibt nach dieser schleierhaften Antwort zunächst offen. Genauso ist noch nicht bestätigt, ob die Hausdurchsuchungen vornehmlich auf der Grundlage dieser Funkzellenabfragen beschlossen worden sind. Wäre dem so, bedeutet dies, dass zukünftig einzig und allein aufgrund dessen, dass eine Handynummer zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Funkzelle (die, wie erwähnt, einen Radius von mehreren Kilometern haben kann) registriert ist, eine Hausdurchsuchung angeordnet werden kann, ohne auch nur ein einziges weiteres Verdachtsmoment für eine Tatbeteiligung der entsprechenden Person zu haben. Die Blau-Gelb-Weiße Hilfe hofft sehr, dass sich der Verdacht nicht bestätigt, dass solche gravierenden Eingriffe mitunter auf der Erfassung von Handys durch Funkzellen zu einem Samstagabend in der Jenaer Innenstadt fußen.
Abschließend erwarten wir als Blau-Gelb-Weiße Hilfe, auch im Sinne der von den Hausdurchsuchungen Betroffenen, dass die schriftlichen Ausführungen der Beantwortung umfangreich erfolgen werden.
Blau-Gelb-Weiße Hilfe e.V., 24. Juli 2021