Strafe unter dem Deckmantel der Prävention – Wie hoch ist der präventive Charakter der Verbandssanktionen? 

Ein typisches Szenario im deutschen Fußball: Fans zünden Pyrotechnik im Stadion, das DFB-Sportgericht spricht kurze Zeit später eine Strafe aus. Wie hoch diese ausfällt, regelt seit 2018 ein Strafenkatalog – offiziell „Strafzumessungsleitfaden“. Ein Blick in die dazugehörige Richtlinie des DFB offenbart auch hier das Vokabular „Strafe“, „Sanktionierung“ und „Bewährungsstrafe“. Lediglich unter Punkt 7 wird kompakt in einem Satz eingeschoben, was die rechtliche Stütze dieser Paralleljustiz ist: „Nicht die Bestrafung des in der Vergangenheit liegenden Vorfalls, sondern die vorbeugenden Maßnahmen zur Vermeidung neuerlicher Vorfälle stehen im Vordergrund der
sportstrafrechtlichen Aufarbeitung von Zuschauerfehlverhalten.“

Zuschauerfehlverhalten wird konkret anhand von Richtlinien mittels Geldstrafen sanktioniert. Laut DFB handelt es sich aber nicht um eine Strafe, sondern um eine Präventionsmaßnahme. Die vermeintliche Präventionsarbeit besteht in der Praxis allerdings nur zu einem kleinen Teil aus sozialer Arbeit vor Ort. Tatsächlich ist sie in erster Linie ein Versuch, die Vereine zur Tataufklärung, Täterermittlung und Sanktionierung anzuhalten. Dafür wird dann noch mal mit der Kohle gewedelt, in Form von Sanktionsminderung. 

Gegen ebenjene Vorgehensweise klagte unser FCC vor dem Bundesgerichtshof, zuletzt im November 2021. Die Argumentation: Der FCC  als Veranstalter hat am Verhalten der Zuschauer keine Schuld, da bei den Spielen alle nötigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden sind. Der BGH gab der Klage nicht statt und berief sich auf oben beschriebene Angaben des DFB: es handle sich nicht um Strafen, sondern um Präventivmaßnahmen und diese seien auch ohne Verschuldung zulässig.

Wir halten fest: Fehlverhalten, an dem niemand Schuld ist, wird mit einer Geldstrafe sanktioniert, die statt einer Strafe eine Präventivmaßnahme sein soll. Mit dieser wird aber keine Prävention – im progressiven Sinne – in Form von Sozialarbeit betrieben, sondern „präventive“ Ermittlungsarbeit zur Tätersanktionierung. Der DFB bleibt damit juristisch im Recht, dem FCC würde nur noch der Gang vor das Bundesverfassungsgericht bleiben. Wie verschiedene Fehltritte wie Beleidigungen oder Becherwürfe verhindert werden sollen, bleibt offen. Vielmehr besteht der „präventive Charakter“ der Strafe darin, die Vereine zur eigenen Ermittlungsarbeit zu gängeln. 

Aus einer Sanktion sollte im Normalfall eine Verhaltensänderung folgen. Der Blick in die Stadien zeigt aber Woche für Woche, dass trotz der Strafen keine Regulierung im Sinne des Verbands stattfindet. Die Fans lassen sich ihre Pyrotechnik nicht verbieten und finden Wege, die Repressionsmechanismen des DFB ins Leere laufen zu lassen und damit auch die Argumentation des Verbands ad absurdum zu führen.

Strafen zünden nicht!